ON@ACHT BRÜCKEN Streifzug durch die musikalische Avantgarde
Das Festivalthema „Musik. Politik?“ wird auf eine düstere, dystopische Art interpretiert, die vielleicht gar nicht so weit in der Zukunft liegt. Foto: Matthias Muche
Bei ON@ACHT BRÜCKEN präsentiert sich die freie Szene der zeitgenössischen Musik in Köln. Der Querschnitt, der davon in diesem Jahr in dem Festival zu sehen ist, ist schier beeindruckend. Von Daniel Mennicken
Werke vom Ende der 1960er Jahre bis heute, Musiker mehrerer Generationen, gestandene Profis und begeisterte Laien sowie eine musikalische Bandbreite vom traditionellen Ensemble bis zur multimedialen Installation – das erwartet die Besucher bei ON@ACHT BRÜCKEN.
Am Puls der Avantgarde
Den Puls der Avantgarde zu spüren ist ein spannendes, ein aufregendes Erlebnis, und dazu laden in diesem Jahr zum Festivalbeginn gleich vier Veranstaltungen ein: In „Die Kunst der Überwachung“ treffen das Ensemble Tonverbrechung und das Kollektiv RaumZeitPiraten aufeinander. Hier paart sich frei improvisierte Musik mit interaktiver Licht- und Videokunst, ergänzt durch die Lyrik der Wiener Autorin Sophie Reyer.
Das Festivalthema „Musik. Politik?“ wird auf eine düstere, dystopische Art interpretiert, die vielleicht gar nicht so weit in der Zukunft liegt, wie mancher glauben möchte. Wie öffentlich will ich sein, in einer komplett vernetzten Welt. Wie privat kann ich sein? Das Auftaktkonzert des Festivals in der Kunsthochschule für Medien Köln ist vielleicht gar das politisch virulenteste desselben.
BRuCH-Ensemble
Deutlich „klassischer“, wenn auch kein bisschen seichter, sind die vier Musikerinnen des Ensembles BRuCH im Anschluss zu hören. BRuCH gehören, 2013 gegründet, noch zu den jungen Gewächsen der Kölner Ensemblelandschaft und ON@ACHT BRÜCKEN ist eine der derzeit wenigen Gelegenheiten, die Künstlerinnen vor Ort zu erleben. Durch die ungewöhnliche Besetzung mit Querflöte, Violoncello, Klavier und Stimme drängt sich die Beschäftigung mit dem Thema Sprache/Atem geradezu auf. Und so steht nicht zufällig Helmut Lachenmanns zentral für die ästhetische Ausrichtung des Quartetts.
Experimentelle Klänge
Ein ideales Team experimenteller Klänge findet im Anschluss in der Kunst-Station Sankt Peter zusammen, einem der wichtigsten Orte für zeitgenössische Musik in Köln. Matthias Muche, Sven Hahne, Dominik Susteck, Carl Ludwig Huebsch, Brad Henkel und Simon Rummel stehen jeder für sich für handwerkliche Perfektion und herausragende künstlerische Positionen zwischen „klassischer“ Neuer Musik, Medienkunst und Improvisation. Die Kombination von Vinko Globokars „Individuum <-> Collectivum“ mit Werken aus der Feder von Matthias Muche und Simon Rummel selbst verspricht ein sowohl klanglich als auch interpretatorisch abwechslungsreiches und spannendes Konzert.
Das Highlight des Abends
Wer dann schon nach Hause geht, lässt sich das größte Happening jedoch entgehen: Der Chor Superterz und das Projektensemble 12 füllen nicht nur die Bühne mit einer Vielzahl an Instrumentalisten und Sängern, sondern sind in der Zusammensetzung aus Profi s, Laien, Schülern und Studenten ein Paradebeispiel dafür, dass neue Musik nicht nur einem kleinen elitären Kreis von Auserwählte vorbehalten ist, sondern als gemeinsames Erlebnis zu vereinen vermag. Und welches Werk könnte dazu besser passen als Cornelius Cardews The Great Learning, das genau diesen Gedanken der Verbindung von Profis und Laien in den Mittelpunkt stellt.
Das älteste Werk des Abends hat in seiner Bedeutung möglicherweise auch heute noch mehr verbindendes Potential als so manche Uraufführung unserer Tage. Die Bedeutung der freien Musikszene für Köln lässt sich auch an einem so umfangreichen Abend nur erahnen. Allen Künstlern gemein sind die ungemeine Kreativität, das schier unerschöpfliche künstlerische Potential und der unablässige Drang, Neues zu schaffen. Und das hinweg über Stile und Sparten, über Ansichten und Standpunkte, über Herkunft und Generationen.
Termin: Donnerstag, 30.04.2015, 17:00 – 21:00 Uhr
Weitere Informationen finden Sie auf achtbruecken.de
Quelle:
MENNICKEN, Daniel: ON@ACHT BRÜCKEN Streifzug durch die musikalische Avantgarde. In: Kölner Stadtanzeiger Nr. 88 vom 16. April 2015, Kölner Philharmonie Spezial, Seite 2